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Survival of the Smartest: Mensch, Maschine & die Instandhaltung der Zukunft.

Fertigungsunternehmen stehen unter Druck, ihre Prozesse zu optimieren und gleichzeitig dem wachsenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) in der Instandhaltung macht eines deutlich: Es geht nicht um "Mensch gegen Maschine", sondern um "Mensch plus Maschine".

Was muss also gegeben sein, damit diese Mensch-Maschine-Zusammenarbeit gelingt? Auf dem SPARETECH Summit 2025 sind Experten von Volkswagen Zwickau, Südzucker, Boehringer Ingelheim und dankl+partner consulting dieser Frage nachgegangen. Wir haben hier die wichtigsten Erkenntnisse der Diskussion zusammengefasst.

🎙️ Die vollständige Diskussion finden Sie hier.

Praxisanwendungen: Wo KI bereits einen Mehrwert in der Instandhaltung schafft

KI ist nicht neu, aber ihre Anwendungen in der Instandhaltung entwickeln sich rasant. Was mit grundlegenden Kontrollsystemen begann, hat sich zu fortschrittlichen Analysen und intelligenter Automatisierung entwickelt. Heute beweist KI ihren Wert bei der Verarbeitung großer Datenmengen und der Unterstützung von Entscheidungen in Echtzeit.

"KI ist nicht nur kreativ, sondern auch analytisch. In der analytischen KI gibt es schon heute extrem starke Werkzeuge zur Verarbeitung von großen Datenmengen. Viele konkrete Ansätze und Projekte dazu laufen gerade.”

Dr. Andreas Weber
Senior Partner | dankl+partner

Der anfängliche Traum, dass KI automatisch Klarheit in unstrukturierten Daten schafft, hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Stattdessen beginnen viele Unternehmen erstmal damit, ihre Datenqualität zu verbessern: eine wichtige Grundlage für jede erfolgreiche KI-Initiative.

"…Deswegen haben wir uns entschieden, dass wir zuerst mit SPARETECH unsere Ersatzteildatenqualität von einem sehr schlechten in einen sehr guten Zustand bringen und dann auf jeden Fall auch in das Thema KI investieren.”

Andreas Veil
Business Process Owner Operations | Südzucker

Datenqualität als Grundvoraussetzung

Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung von KI in der Instandhaltung ist die Datenqualität. Ohne hochwertige Daten ist es schwierig, KI-Anwendungen effektiv zu nutzen. Unternehmen müssen daher zunächst ihre Daten bereinigen und standardisieren, bevor sie die tatsächliche Effizienz ihrer KI-Technologien nutzen und die gewünschten Ergebnisse erzielen können. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und eine klare Strategie für das Datenmanagement.

Doch bevor wir überhaupt über Datenqualität sprechen, ist Datentransparenz von entscheidender Bedeutung. Fertigungsunternehmen müssen den aktuellen Zustand ihrer Daten kennen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Transparenz schafft die Grundlage für eine effektive teamübergreifende Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Unternehmens.

"Datentransparenz ist der erste Schritt, bevor man überhaupt über Datenqualität nachdenkt. Bei der Zusammenarbeit, Transparenz und Kommunikation fehlt oft der Status quo: Wie schlecht sind unsere Daten wirklich? Können wir sie überhaupt finden? Diese Informationen sind nicht nur auf dem Shopfloor wichtig, sondern auch für das Senior Management – und das führt uns zur Frage der Mensch-Maschine-Interaktion."

Samy Mohamed
Senior Manager Globale Wartung und Zuverlässigkeit | Boehringer Ingelheim

Mensch-Maschine-Kollaboration

Die Integration von KI in die Instandhaltung erfordert ein Umdenken. Es geht darum, die Stärken von Menschen und Maschinen zu kombinieren, um Probleme effizienter zu lösen. Diese Interaktion kann Ängste abbauen und die Akzeptanz neuer Technologien in den Teams fördern. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine sollte als Chance gesehen werden, die Produktivität zu steigern und den Fachkräftemangel zu kompensieren.

"…und so sehe ich das mit KI. Es ist nicht Mensch gegen Machine, sondern Mensch plus Maschine gegen das Problem. Ich denke, es ist einfach eine Perspektive, die wir ändern müssen."

Samy Mohamed
Senior Manager Global Maintenance & Reliability | Boehringer Ingelheim

In der Vergangenheit war Instandhaltung etwas einfacher: Die Techniker mussten einen einfachen Motor bedienen, den jeder kannte, und diesen zu ersetzen war so einfach wie das Anschließen von drei Phasen. Heute umfasst die gleiche Aufgabe die Programmierung von Umrichtern, die Konfiguration von Parametern wie Rampen und die Verwaltung komplexer Systeme. Doch die Erwartungen an die Instandsetzungszeit haben sich nicht geändert.

"Wir brauchen deutlich mehr Transparenz und Digitalisierung, um schneller zu arbeiten und den Instandhaltern im Feld bessere Informationen zu liefern."

Stefan Schädlich
Head of Maintenance Assembly | Volkswagen

Dies bedeutet, kritische Daten einfach, schnell, übersichtlich und direkt am Ort des Bedarfs zugänglich zu machen.

Wie geht es weiter: Herausforderungen und Chancen

Die Einführung und Weiterentwicklung von KI in der Instandhaltung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Unternehmen müssen sich auf die Veränderungsgeschwindigkeit einstellen und ihre Mitarbeiter auf diesem Weg mitnehmen. Change Management spielt eine zentrale Rolle, um die Akzeptanz neuer Technologien zu fördern und Widerstände abzubauen.

Wissensmanagement und Generationswechsel

Bei der Einführung von KI-Systemen in der Instandhaltung geht es nicht in erster Linie um Personalabbau, sondern um die Bewältigung des wachsenden Fachkräftemangels.

"In den nächsten 10 Jahren werden etwa 40% der Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen - ein Trend, der sich bereits heute abzeichnet: im vergangenen Jahr wurden mehr 60. als 6. Geburtstage gefeiert."

Dr. Andreas Weber
Senior Partner | dankl+partner

Wenn erfahrene Mitarbeiter in den Ruhestand gehen, besteht für die Unternehmen die Gefahr, wertvolles Wissen und Fachkenntnisse (Know-How) zu verlieren. Die Diskussionsteilnehmer am Summit haben die Dringlichkeit betont, dieses Wissen zu erfassen und in digitale Systeme zu überführen. KI kann hier eine Schlüsselrolle spielen, nicht indem sie menschliches Fachwissen ersetzt, sondern indem sie es für künftige Generationen bewahrt und skaliert.

"Wir müssen diese Effizienzgewinne nutzen... wir verhindern den Verlust von Fachwissen, bündeln Fachwissen in der Digitalisierung und stellen es Nachfolgern zur Verfügung."

Dr. Andreas Weber
Senior Partner | dankl+partner

Change Management: Akzeptanz fördern, Widerstände abbauen

Die Einführung von KI-Tools ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Herausforderung. Die Podiumsteilnehmer sind sich einig, dass Skepsis, insbesondere bei erfahrenen Mitarbeitern, weit verbreitet ist. Bei einem effektiven Change Management geht es darum, sicherzustellen, dass ein Tool nach seiner Einführung Teil des täglichen Betriebs wird. Dazu gehört, den Teams spezielle Unterstützung zu geben, regelmäßig nachzufragen und Anpassungen auf der Grundlage des erhaltenen Feedbacks vorzunehmen. Diese Bemühungen tragen dazu bei, die Nutzung zu verstärken und sicherzustellen, dass neue Technologien nicht nur eingeführt, sondern wirklich angenommen werden.

"Wenn jemand mal frustriert ist, dann ist er relativ schnell wieder in alten Gewohnheiten… Man kann die tollste Lösung implementieren, aber wenn sie nicht angenommen wird, ist sie wertlos."

Andreas Veil
Business Process Owner Operations | Südzucker

Zukunftsvision für KI in der Instandhaltung

Samy Mohamed (Boehringer Ingelheim) hat eine überzeugende Zukunftsvision vorgestellt: ein vollständig integriertes Wartungsökosystem, in dem KI nicht nur den Zustand der Anlagen überwacht, sondern auch selbstständig Ersatzteilbestellungen auslöst und Eingriffe plant. In diesem Szenario teilen die Maschinen ihre Bedürfnisse mit - "mein Lager ist verschlissen" - und das System reagiert, indem es die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit einleitet. Diese Vision spiegelt eine Verlagerung von reaktiver zu vorausschauender Instandhaltung wider, wobei KI die Organisation nahtloser, datengesteuerter Prozesse übernimmt.

Stefan Schaedlich (Volkswagen) hat dazu betont, wie wichtig es ist, Transparenz in der Bestandsverwaltung zu schaffen und Standorte in ganz Europa miteinander zu verbinden, um gemeinsames Potenzial freizusetzen und Ineffizienzen zu verringern. Seine Vision beruht auf der Überzeugung, dass digitale Werkzeuge veraltete, personenabhängige Prozesse ersetzen müssen, um Fehler zu reduzieren und Zeit zu sparen. Er hat die Notwendigkeit dargestellt, zu modernisieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass erfahrene Mitarbeiter nicht zurückgelassen werden:

"In der Vergangenheit wurde vieles von Mitarbeitern übernommen, was gut war, weil wir einfach nicht die Werkzeuge dafür hatten, und jetzt müssen wir den Schritt wagen und auch die älteren Mitarbeiter mitnehmen... die alten Gewohnheiten ablegen, die neuen Werkzeuge einführen und vielleicht auch versuchen, das “alte” Wissen in neue Systeme einzubringen."

Stefan Schaedlich
Head of Maintenance Assembly | Volkswagen

Zukunftsweisende Anwendungen wie "Speak to your Data," hervorgehoben von Andreas Veil (Südzucker), versprechen praktische Lösungen, zum Beispiel bei der Identifizierung alternativer Ersatzteile oder der Optimierung von Lieferzeiten. Der Weg dorthin führt über eine systematische Verbesserung der Datenbasis. Mit sauberen und standardisierten Daten kann KI Instandhaltungsteams helfen, intelligentere Entscheidungen zu treffen, indem Daten direkt abgefragt werden:

  • Welches alternative Teil kann ich verwenden?
  • Wo ist dieses Teil schneller verfügbar?
  • Was ist der beste Ersatz für ein nicht mehr vorrätiges Teil?

Diese Fragen, die einst in komplexen Systemen wie SAP vergraben waren, lassen sich sofort beantworten, wenn die Daten sauber und standardisiert sind.

Fazit

Der SPARETECH Summit 2025 hat eines klargestellt: Die Zukunft der Instandhaltung liegt in der Synergie zwischen Mensch und Technologie. KI liefert bereits einen Mehrwert, vor allem wenn sie durch saubere Daten, funktionsübergreifende Zusammenarbeit und einen klaren betrieblichen Zweck unterstützt wird. Menschliches Fachwissen ist nach wie vor von zentraler Bedeutung, zumal Unternehmen mit einem Generationswechsel konfrontiert sind und Gefahr laufen, wichtiges Know-How zu verlieren. Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen nicht nur in Technologie investieren, sondern auch in ein Change Management, das Vertrauen, Transparenz und Akzeptanz fördert. Auf dem Weg zu einer KI-gestützten Instandhaltung geht es nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern sie zu sondern sie zu befähigen ihre Zeit für Probleme einzusetzen, die KI noch nicht lösen kann.

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