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Ersatzteilmanagement: Der unterschätzte Treiber für höhere Margen
In der industriellen Fertigung gibt es kaum Bereiche, die so wichtig und dennoch so routinemäßig unterschätzt werden wie die Instandhaltung und das Ersatzteilmanagement. Für viele Hersteller gelten sie noch als Hintergrundfunktion: Sie halten den Betrieb am Laufen, unterstützen die Produktion und geraten nur dann in den Fokus, wenn ein Ersatzteil fehlt und eine Maschine steht. In den Vorstandsetagen wird sie jedoch selten als Hebel für Profitabilität, Effizienz oder Transformation diskutiert.
Die Daten sind jedoch eindeutig.
Unser aktueller Bericht, Strategisches Ersatzteilmanagement: Der übersehene Hebel für höhere Margen, basierend auf einer globalen Befragung von 300 Führungskräften aus produzierenden Unternehmen, deckt ein systematisches Problem auf, das im Verborgenen wirkt. Das Ersatzteilmanagement, wie Unternehmen Ersatzteile einkaufen, verwalten und nutzen, um die Produktion am Laufen halten, untergräbt stillschweigend die Margen, bremst die digitale Transformation und bindet Millionen im Working Capital. Und obwohl die meisten Führungskräfte wissen, dass etwas nicht funktioniert, handeln nur wenige.
Die Chance ist da – doch Instandhaltung sitzt nicht mit am Tisch
Die meisten produzierenden Unternehmen arbeiten mit einem grundlegenden Widerspruch. Einerseits versuchen sie, Kosten zu senken, die Anlagenverfügbarkeit zu verbessern und aus jeder Funktion mehr Leistung herauszuholen. Andererseits verwalten sie Ersatzteile über fragmentierte Systeme, inkonsistente Prozesse und unvollständige Daten.
Wenn Instandhaltung einen Platz am Tisch bekommt und innerhalb eines Unternehmens optimiert wird, zeigt unser Bericht, dass die Mehrheit der Führungskräfte in der Fertigungsindustrie Margenverbesserungen sieht. Für die meisten liegen diese Verbesserungen im Bereich von 1 bis 4 %. Das mag zwar nach wenig klingen, ist in der Praxis aber transformativ.
Betrachten wir ein großes Fertigungsunternehmen mit einem Jahresumsatz von 2 Milliarden US-Dollar. Eine Verbesserung der Betriebsmarge um 4 % entspricht einem Mehrwert von 80 Millionen Dollar. Das ist Kapital, das in Innovation reinvestiert, zur Abfederung von Disruptionen in Lieferketten genutzt oder direkt **im Geschäftsergebnis wirksam werden kann. In einem Sektor, in dem die Margen oft knapp und Effizienz alles ist, kann selbst eine Verbesserung um 1% einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil bringen.
Im großen Maßstab sind schrittweise Verbesserungen alles andere als klein.
Und doch stufen nur 34% der Führungskräfte die Optimierung des Ersatzteilmanagements als strategische Priorität ein. Diese Fehleinschätzung kostet die Industrie mehr als vielen bewusst ist.
Die Unterschätzung des Ersatzteilmanagements ist kein lokales Phänomen. Der globale Markt für Ersatzteilmanagementsoftware lag 2024 bei 5,2 Mrd. US-Dollar und soll bis 2033 auf 8,9 Mrd. US-Dollar wachsen¹. Demgegenüber fließen in breitere Digitalinitiativen wie ERP oder Industrie-4.0 weit höhere Budgets – Ersatzteilmanagement-Initiativen werden häufig übertroffen.
Dieses Ungleichgewicht verdeutlicht eine verpasste Chance: Während ambitionierte Digitalagenden verfolgt werden, erhalten speziell auf das Ersatzteilmanagement zugeschnittene Tools nur begrenzte Mittel. Das Ergebnis: anhaltende Ineffizienzen in Funktionen der Instandhaltung mit erheblichem, ungenutzten Wert.
Im gesamten Bericht sehen wir, dass sich Ineffizienzen verstärken, wenn Instandhaltung und damit Ersatzteilmanagement nicht priorisiert wird. Teams bevorraten Ersatzeile „Just-in-Case“ und binden Kapital in ungenutzten Beständen. Kritische Teile fehlen trotzdem, ungeplante Stillstände dauern länger. Der Einkauf agiert ohne ausreichende Transparenz und beschafft häufig Ersatzteile, die bereits vorhanden sind, weshalb hohe Bestandsausgaben zur Top-Herausforderung für Einkaufs- und Supply-Chain-Verantwortliche werden.
Insgesamt verzeichnet die Branche unnötige Mehrkosten, Lagerausfälle und Reibungen zwischen Funktionen, die eigentlich nahtlos zusammenarbeiten sollten.
Zwei Teams, ein gemeinsames Problem
Die Instandhaltung liegt an der Schnittstelle zweier Kernfunktionen: Fertigung und Einkauf. Die Fertigungsteams sorgen dafür, dass Anlagen effizient laufen und ungeplante Stillstände minimiert werden. Die Kosten bei Ausfällen sind hoch: Ungeplante Stillstände verursachen bei den 500 größten Industrieunternehmen weltweit geschätzt 1,4 Billionen US-Dollar pro Jahr, rund 11 % der Umsätze². In der Automobilindustrie liegen die Verluste beispielhaft bei bis zu 2,3 Mio. US-Dollar pro Stunde. Entscheidend ist daher: das richtige Ersatzteil, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.
Beschaffungsteams hingegen stehen unter Druck, Ersatzteile kosteneffizient zu beschaffen, Lieferantenbeziehungen zu managen und die Ausgaben im Griff zu behalten. Laut Daten des U.S. Census Bureau stiegen die Ausgaben für Bestände in der Fertigung im Juni 2025 bereits den neunten Monat in Folge³.
Beide Funktionen sind entscheidend, doch häufig gibt es Abstimmungsprobleme. Während die Instandhaltung Verfügbarkeit priorisiert, konzentriert sich die Beschaffung auf Kosten und Compliance. Ohne gemeinsame Transparenz und standardisierte Prozesse führt das zu Beständen über “Just-in-Case” hinaus, teuren Notkäufen, Mehrkosten und internen Reibungen. Laut des Berichts leiden beide Teams unter denselben Kernproblemen: mangelhafte Transparenz, Datensilos und inkonsistente Ersatzteildaten.
So berichten 32 % der Instandhaltungsteams von einem Paradox: zu viele Ersatzteile auf Lager, aber dennoch kritische Engpässe. Das führt zu ungeplanten Stillständen und ineffizientem Krisenmanagement.
Auf der Beschaffungsseite nennen 48 % der Führungskräfte hohe Bestandskosten als größte Herausforderung, 44 % leiden unter langen Lieferzeiten für kritische Teile. Da ihnen ein vollständiger Überblick fehlt, bestellen sie Ersatzteile oft erneut, obwohl diese irgendwo im eigenen Produktionsnetzwerk bereits vorhanden sind.
Zwei Seiten derselben Medaille, deren gemeinsamer Nenner fehlende Transparenz ist. Ohne eine konsolidierte Datengrundlage bleiben Ausmaß und Kosten der Ineffizienzen unsichtbar.

Abbildung 1: Aktuelle Herausforderungen in der Instandhaltung*
*Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich; daher summieren sich die Prozentwerte auf über 100 %
Aus Sicht des Einkaufs sieht es nicht besser aus: 48 % der Führungskräfte nennen die Herausforderung hoher Bestandskosten und 44 % heben die Problematik langer Vorlaufzeiten für kritische Teile hervor. Zwar stehen sie unter Druck, gezielter zu investieren, doch ohne Zugriff auf vollständige und verlässliche Bestandsdaten bestellen sie weiterhin Ersatzteile nach, die anderswo im eigenen Produktionsnetzwerk bereits im Regal liegen.

Abbildung 2: Aktuelle Herausforderungen im Ersatzteilmanagement für Beschaffungs-und Supply Chain-Teams*
*Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich; daher summieren sich die Prozentwerte auf über 100 %
Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Und das zugrunde liegende systematische Problem ist die fehlende standortübergreifende Transparenz.
Ohne Transparenz bleiben Ausmaß und Kosten der Ineffizienzen verborgen. Teams erkennen oft nicht, dass sie Überbestände über mehrere Standorte hinweg mitführen, Materialnummern duplizieren oder sich auf veraltete und inkonsistente Daten stützen. Dadurch wirken diese Probleme häufig weniger dringlich, nicht, weil sie klein wären, sondern weil sie durch unzureichende Informationen nicht ausreichend sichtbar sind.
Der Mangel an genauen, konsolidierten Ersatzteildaten verschleiert verdeckte Ineffizienzen und verhindert ein frühzeitiges Eingreifen. Zudem wird die Fähigkeit begrenzt, fundierte Entscheidungen zu Beschaffung, Wiederbeschaffung und Standardisierung zu treffen. Mit mehr Transparenz könnten Unternehmen diese Ineffizienzen deutlich besser identifizieren und adressieren. Und mit größerer Sichtbarkeit wird der Business Case für die Optimierung der Instandhaltung und des Ersatzteilmanagements offensichtlicher und dringlicher, er hebt das Thema von einer reinen Instandhaltungsfrage zu einer strategischen Priorität mit messbarem Einfluss auf Marge, Anlagenverfügbarkeit und operativer Resilienz.
Mehr Bestand, aber kein Mehrwert
Eines der deutlichsten Zeichen für Fehlsteuerung im Ersatzteilmanagement ist, wenn Bestände steigen, Nutzung aber nicht.
22 % der Ersatzteile bleiben fünf Jahre oder länger ungenutzt. Das heißt: Eines von fünf heute beschafften Ersatzteilen wird voraussichtlich auch 2030 noch im Regal liegen. Gleichzeitig ist das im Ersatzteilbestand gebundene Kapital in den vergangenen fünf Jahren um 12 % gestiegen und jede befragte Führungskraft spürt diesen Druck. Und während diese Ersatzteile ungenutzt in den Lagern liegen, überdenkt die Instandhaltung wenigstens, noch mehr zu bestellen? Kaum. Im Durchschnitt erhöhen sie ihre Ausgaben für Ersatzteile jährlich um 10 %.
Je länger diese Ineffizienzen ungelöst bleiben, desto teurer werden sie. Alternde Bestände binden Working Capital, beanspruchen wertvolle Lagerflächen und werden häufig obsolet, bevor sie überhaupt eingesetzt werden. Mit der Einführung neuer Anlagen und fortschreitender Technologie häufen sich ungenutzte Altteile und verursachen Jahr für Jahr versteckte Kosten.
Abbildung 5: Durchschnittlicher jährlicher 5-Jahres-Trend des im Ersatzteilbestand gebundenen Kapitals
Was steht dem Wandel im Weg?
Trotz des wachsenden Problems und klarer Margenpotenziale wird die Chance nicht entschlossen genug genutzt.
Ein Teil dieses Stillstands ist wahrnehmungsbedingt: Instandhaltung hat nicht das Gewicht schlagzeilenträchtiger Initiativen wie Automatisierung, KI oder Smart-Factory-Systeme. Sie wirkt taktisch, nicht transformativ. Dabei wird ein entscheidender Punkt übersehen: Keiner dieser zukunftsgerichteten Investitionen entfaltet vollen Wert, wenn die grundlegenden Systeme dahinter – wie die Instandhaltung und insbesondere das Ersatzteilmanagement – ineffizient oder defekt sind. Ein Programm zur vorausschauenden Instandhaltung ist nur so gut wie die Qualität ihrer Ersatzteildaten. Und eine digital vernetzte Fabrik kommt dennoch zum Stillstand, wenn ein kritisches Teil fehlt.
Hinzu kommen strukturelle Hürden. 58 % der produzierenden Unternehmen beschreiben ihre aktuellen Prozesse im Ersatzteilmanagement als nur „teilweise standardisiert“. Ein Unternehmen kann an einem Standort strenge Kontrollen und zentralisierte Daten haben, während fünf andere weiterhin mit Tabellen arbeiten. So kann die Materialanlage an einem Standort einem klaren Freigabeablauf folgen, während ein anderer Techniker:innen erlaubt, neue Ersatzteile manuell und ohne Datenvalidierung anzulegen. Nur 8 % der Unternehmen berichten von vollständig standardisierten Prozessen über alle Standorte hinweg. Und je größer das Unternehmen, desto komplexer die Herausforderung, unter diesen 8 % befindet sich kein Großunternehmen.
Abbildung 8: Aktueller Standardisierungsgrad im Ersatzteilmanagement
Abbildung 9: Aktueller Standardisierungsgrad im Ersatzteilmanagement nach Jahresumsatz
Die Standardisierung im Ersatzteilmanagement im großen Maßstab ist nicht einfach. Sie erfordert funktionsübergreifende Abstimmung, konsequentes Change Management und Investitionen in die digitale Infrastruktur. Mit wachsender Unternehmensgröße nimmt die Komplexität deutlich zu: Mit jedem zusätzlichen Werk, jeder Region und jeder Geschäftseinheit steigt sie weiter. Jeder Standort kann eigene Systeme, eigene Benennungskonventionen sowie eigene Vorgehensweisen in der Ersatzteilbeschaffung und -verwaltung haben. Compliance-Anforderungen unterscheiden sich je nach Land, Lieferantennetzwerke sind häufig fragmentiert, und die Autonomie auf Werksebene erschwert die Durchsetzung globaler Standards.
Gerade deshalb sind die Effekte der Standardisierung so essenziell. Größere Organisationen haben mehr Redundanzen zu beseitigen, mehr Einkaufsmacht zu nutzen und mehr Datenpotenziale zu heben. Der Aufwand, die Instandhaltung unternehmensweit zu harmonisieren, zahlt sich aus: durch mehr Transparenz, weniger Duplikate und Doppelbeschaffungen sowie die Fähigkeit, Best Practices über alle Standorte hinweg zu skalieren. Für Unternehmen mit globaler Präsenz wird Standardisierung so zum Wettbewerbsvorteil.
Software verändert die Situation – aber noch zu selten
Die Daten unserer Studie zeigen: Die Verbreitung spezialisierter Ersatzteilmanagementsoftware ist gering. Nur 34 % der Unternehmen haben eine Software im Einsatz. Für diejenigen, die sie nutzen, ist der Effekt dagegen klar: 96 % senken ihren Ersatzteilbestand, 78 % reduzieren die Ausgaben im Ersatzteilmanagement, und 39 % berichten von Zeiteinsparungen bei Aufgaben im Ersatzteilmanagement.
Sie möchten die exakten Zahlen sehen? Laden Sie den vollständigen Bericht hier herunter.
Diese Ergebnisse sind alles andere als theoretisch. In einem Kundenbeispiel erreichte ein führender globaler Automobilzulieferer 98 % Transparenz im Materialstamm, indem er Einkaufsdatensätze optimierte und mit Originalherstellerinformationen anreicherte. Das Ergebnis: eine nachhaltige Reduktion der weltweiten Ausgaben für Ersatzteile – Einsparungen im mittleren sechsstelligen Bereich wurden erzielt. Ein weiteres Unternehmen meldete über 50 % Effizienzgewinn bei Materialanlage und Ersatzteilsuche. Saubere Daten und eine zentrale Source of Truth machten den Unterschied. Das sind eindeutige operative Erfolge. Und dennoch steuern zwei Drittel der Unternehmen die Instandhaltung weiterhin ohne spezialisiertes System und lassen diese Chance ungenutzt liegen.
Was kommt als Nächstes für Führungskräfte in der Instandhaltung?
Wenn Sie heute eine Führungskraft in einem produzierenden Unternehmen sind, stehen Sie unter erheblichem Druck, Margen zu verbessern, die Anlagezuverlässigkeit zu erhöhen und den digitalen Fortschritt zu beschleunigen. Der Weg dorthin erfordert jedoch nicht immer neue Technologien oder Leuchtturminvestitionen. Manchmal beginnt er damit, die Grundlagen zu überdenken.
Diese Studie zeigt, dass Instandhaltung eine dieser Grundlagen ist und zu lange strategisch unterpriorisiert wurde. Unternehmen, die Instandhaltung (insbesondere das Ersatzteilmanagement) konsequent modernisieren, senken nicht nur Kosten und Komplexität. Sie sind auch besser in der Lage, neue Technologien zu skalieren, schneller auf Störungen zu reagieren und mit einer Transparenz zu arbeiten, die langfristige Resilienz unterstützt.
Unserer vollständiger Bericht geht tiefer auf die Daten ein und zeigt klarer, wo Fertigungsunternehmen derzeit zurückbleiben und wie sie gegensteuern können. Sie beantwortet u. a.:
- Instandhaltung vs. Einkauf: Was sind heute die Top-Herausforderungen beider Teams, wo überschneiden sie sich, und wo prallen sie aufeinander?
- Wunschliste der Instandhaltung: Welche strategischen Prioritäten stehen bei heutigen Entscheider:innen ganz oben?
- Margenpotenziale quantifiziert: Welche Beiträge zur Ergebnisverbesserung entstehen durch eine fokussierte Instandhaltung?
Quellen
¹LinkedIn, MRO Software Market: Deep-Dive Investment Scope And Impact of AI, 2025
²Siemens, The True Cost of Downtime 2024, 2024
³U.S. Census Bureau, Monthly Full Report on Manufacturers’ Shipments, Inventories and Orders July 2025, 2025
